Stadtgemeinde Trofaiach

Revitalisierung der Innenstadt von Trofaiach

Aufgabenstellung und Zielsetzung

Eine Kombination aus verändertem Mobilitätsverhalten der Bevölkerung, Abwanderung aus der Region und städtebaulicher Entscheidungen führten ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Trofaiach zum sogenannten Donut-Effekt. Funktionen zur Versorgung des alltäglichen Bedarfs verlagerten sich vom Ortskern an den Stadtrand entlang der hochrangigen Verkehrsachsen, wodurch die Innenstadt sukzessive ein Bild der Verwahrlosung zeigte.

Im Jahr 2015 wurde der Leidensdruck schließlich so stark, dass sich die Verantwortlichen der Stadtgemeinde entschlossen, einen Prozess zur nachhaltigen Revitalisierung der Innenstadt zu starten. Zusammen mit nonconform, einem Büro für Architektur und partizipative Raumentwicklung, wurde dafür ein passendes Prozessdesign entwickelt, welches sich auf fünf Punkte stützte:

  • Vermitteln von relevanten Elementen und Faktoren zur erfolgreichen Innenstadtbelebung
  • Umfangreiche siedlungsmorphologische Analyse des Ortes und der Umgebung
  • nonconform ideenwerkstatt als intensiver Auftakt der Öffentlichkeitsbeteiligung
  • Partizipative Entwicklung von kurz-, mittel und langfristigen Maßnahmen 
  • Sicherstellung der Maßnahmenumsetzung durch einen Innenstadtkoordinator

 

Herausforderungen und spezifische Lösungen

Für die Belebung einer Innenstadt gibt es keine Musterlösung. Es muss dafür eine ortsspezifische, konkrete Vision mit definierten Zielen und daraus resultierenden Maßnahmen entwickelt werden. Im Idealfall erfolgt diese Entwicklung gemeinsam mit den BürgerInnen vor Ort. Bei der Umsetzung der Maßnahmen ist auf die lokalen Bedürfnisse und Besonderheiten einzugehen, damit BewohnerInnen und EigentümerInnen zu Mitstreitern für die nachhaltige Innenstadtentwicklung werden.

Der wichtigste Aspekt eines erfolgreichen Revitalisierungsprozesses ist die Bewusstseinsschaffung und Aktivierung zu Beginn. Ein starker gemeinsamer Auftakt bringt die Bevölkerung ins Tun. In weiterer Folge ist die Kontinuität in der Unterstützung und Begleitung der Umsetzung durch eine externe Institution sehr wichtig, damit die vorhandene Dynamik optimal genutzt wird. Wesentlich dabei sind vor allem die „ersten kleinen Schritte“, also kurzfristig und ohne großen finanziellen Aufwand umsetzbare Maßnahmen. Diese schaffen unmittelbar erste Erfolgserlebnisse und dadurch auch Bestärkung und gegenseitiges Vertrauen für die Akteure.

 

Prozessesdesign

Den Auftakt des Prozesses bildete eine Exkursion zu Best-Practice-Beispielen mit VertreterInnen der Stadtgemeinde. Das Ziel dieser Lernreise war das Erkennen und Vermitteln von relevanten Elementen und Faktoren für eine nachhaltige Innenstadtbelebung. Um den VertreterInnen der Stadtgemeinde aber auch der breiten Bevölkerung ein Verständnis der historischen, kulturellen und räumlichen Rahmenbedingungen für die Entwicklung des gebauten Raums zu ermöglichen wurde im nächsten Schritt eine umfassende siedlungsmorphologische Analyse erstellt. Diese Analyse zeigte die Gründe für das Veröden der Innenstadt auf und die Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen Revitalisierungsprozess ließen sich daraus ableiten.

Den Auftakt des Prozesses zur Ortskernbelebung bildete die nonconform ideenwerkstatt. In einem kompakten Beteiligungsformat an drei aufeinanderfolgenden Tagen wurde die Bevölkerung eingeladen, Herausforderungen, Wünsche und Visionen für die Innenstadt mit dem Team von nonconform zu teilen. Daraus wurden gemeinsam kurz-, mittel und langfristigen Maßnahmen zur Innenstadtbelebung erarbeitet. Als Abschluss der drei Tage wurde der Innenstadtkümmerer vorgestellt und engagierte BürgerInnen konnten Teilbereiche wählen, in denen sie die Innenstadtbelebung durch die Umsetzung der spezifischen Maßnahmen aktiv mitgestalten wollten.

In den folgenden Monaten initiierte der Innenstadtkümmerer die Umsetzung eines Großteils der Maßnahmen. Dies fand und findet unter weiterer Beteiligung der aktiven Bevölkerung statt. Zur Qualitätssicherung erhält der Innenstadtkümmerers ein regelmäßiges Coaching von nonconform. 

Folgende Meilensteine wurden bisher erreicht:

  • Veranstaltungen in der Innenstadt (Stadtfest, Innenstadt-Triathlon)
  • Eröffnung Trofaiach-Tandler
  • Neubau von Stadtmobiliar
  • Abriss eines alten Gebäudes und Neubau eines zentrumsnahen Parkplatzes
  • Kümmerer-Büro in der Innenstadt
  • Aktive Bürgergruppen welche ebenfalls das Kümmerer Büro nutzen
  • Leerstände werden laufend aktiviert (Musikschule, neues Gasthaus, Töpferwerkstatt)
  • 1. Vernetzungstreffen der Ortskernkümmerer zur Vermittlung der Kümmerertätigkeit
  • Der Innenstadtkoordinator dient als Inspirationsquelle für andere Gemeinden
  • Masterplan Öffentlicher Raum
  • Neugestaltung „Platz der Musik“
  • 15-Minuten-Takt der Busverbindung zwischen Leoben und Trofaiach
  • Neuer Mobilitätsknoten in der Innenstadt
  • Projekt "StadtUp" zur Förderung der Ansiedelung von innovativen jungen Unternehmen in der Innenstadt

 

Einbeziehung der Zielgruppen

Die zum Prozessstart relevanteste Zielgruppe waren die VertreterInnen aus Politik und Verwaltung. Diese wurden durch Exkursionen, Gruppen- und Einzelgespräche einbezogen.

Während der dreitätigen nonconform ideenwerkstatt lag der Fokus auf der Zielgruppe der Bevölkerung. Diese wurde über eine breite Palette an Aktivierungsmaßnahmen (Projektwebseite, Werbung in der Gemeindezeitung, Postwurf, Werbeplakate und –banner) zum Mitmachen eingeladen. Mehrere Hundert BürgerInnen folgten dieser Einladung. Zudem erfolgte die intensive Einbindung aller Schulkinder in Trofaiach wodurch auch Eltern nochmals zur Beteiligung eingeladen wurden.

Zur Verstetigung der Bürgerbeteiligung wurden Arbeitsgruppen gegründet (zum Beginn 13 Arbeitsgruppen, später zusammengefasst zu vier) welche an der Umsetzung der Maßnahmen aktiv beteiligt sind und vom Innenstadtkümmerer dabei unterstützt werden. Der Kümmerer stellt im gesamten Prozess das Gesicht der Entwicklung dar. Die Beteiligung der Öffentlichkeit nimmt einen großen Stellenwert in der Umsetzung der Maßnahmen zur Innenstadtbelebung ein. Über die Bürgergruppen und den Innenstadtkümmerer besteht eine permanente Möglichkeit der Teilhabe für die Öffentlichkeit. 

 

Positive Auswirkungen

 

Soziales

  • Bessere öffentliche Erreichbarkeit der Innenstadt durch den Ausbau des ÖPNV
  • Verdichtung der alltäglichen Nutzungen in der Innenstadt und damit einhergehende Aufwertung der Innenstadt als Begegnungsraum
  • Aktive Bürgergruppen nutzen das Kümerer-Büro in der Innenstadt
  • Der Innenstadtkümmerer ist ein permanenter Ansprechpartner für sämtliche Belange welche die Innenstadt betreffen. Die Bevölkerung erhält dadurch die Möglichkeit, die Innenstadt durch privates Engagement weiterzuentwickeln
  • Konzeption und Neubau von Stadtmobiliar unter breiter Beteiligung der Bevölkerung – darunter auch in Trofaiach untergebrachte AsylwerberInnen
  • Errichtung von zentrumsnahem Wohnraum für Menschen mit Beeinträchtigungen

Wirtschaft

  • Stärkung der Innenstadt durch Maßnahmen zur Besucherfrequenzsteigerung (Ansiedelung Musikschule und Kümmerer-Büro, Umgestaltung des öffentlichen Raums, Stadtfest)
  • Unterstützung bei der Vermittlung von leerstehenden Flächen in der Innenstadt (für Gastronomiebetriebe, Trofaiach Tandler, Musikschule, etc.)
  • Schaffung eines neuen Wirtschafts-Kooperationsmodells durch den Trofaiach-Tandler: Der „Re-Use" Shop wird als Gemeinschaftsprojekt der Stadtwerke Trofaiach GmbH, der Lebenshilfe und lokalen Kunsthandwerkern geführt. Im Umweltzentrum der Stadt Trofaiach wird Brauchbares gesammelt und der Lebenshilfe zur Verfügung gestellt. Gemeinsam mit Kunsthandwerkern werden kreative Produkte hergestellt und im Trofaiach Tandler verkauft. Zusätzlich können Interessierte TrofaiacherInnen in der Schauwerkstatt selbst Hand anlegen oder erhalten in Repair-Cafes Unterstützung von ExpertInnen.
  • Einbindung der Wirtschaftstreibenden in die Konzeption des Stadtfestes
  • Aufbau des "StadtUp"-Projektes zur Ansiedelung von innovativen Jungunternehmen in der Innenstadt

Umwelt

  • Ressourcenschonender Umgang mit dem Gebäudebestand in der Innenstadt durch die Nachnutzung von Leerständen
  • Durch die Umgestaltung des öffentlichen Freiraumes entlang des Baches wird dieser ökologisch aufgewertet und rückt in das Bewusstsein der Öffentlichkeit.
  • Verbesserte Taktung des öffentlichen Nahverkehrs zwischen Trofaiach und Leoben und somit Anschluss an überregionale öffentliche Verkehrsmittel

 

Besonderer Innovationscharakter des Prozesses

Der Entwicklungsprozess in der Stadtgemeinde Trofaiach beschreibt ein Best-Practice-Beispiel der nachhaltigen Innenstadtentwicklung eines vom Donut-Effekt betroffenen Ortes. Gemeinsam mit den wichtigsten Stakeholdern wurde eine langfristige Vision zur Innenstadtbelebung entwickelt, deren Umsetzung von einem Innenstadtkümmerer permanent kontrolliert und weitergetrieben wird.
Durch den gesamten Prozess ist es gelungen, den Donut-Effekt in einen Krapfen-Effekt umzukehren.

 

Geplante Folgeaktivitäten

Auch im Jahr 2019 sind weitere Impulse für die Aufwertung der Innenstadt geplant. So erarbeiten Studierende der TU Graz derzeit Strategien für den Umgang mit zentralen Leerständen. Auch soll ein wichtiger Perspektivenwechsel stattfinden: Nachdem der Fokus der Innenstadtentwicklung bisher stark auf der Aufwertung des öffentlichen Raums und der Erdgeschosszone lag, soll ab diesem Jahr die Aktivierung von privaten Immobilien zur Schaffung von zentrumsnahem Wohnraum beginnen.
Zur weiteren Aufwertung der Innenstadt wird auch die Transformation der stillgelegten Bahntrasse beitragen, welche sich in Gehweite des Zentrums befindet. Wiederum unter Beteiligung der BürgerInnen wird dort ein Mobilitätsband für vielfältige Aktivitäten entstehen, welches auch die äußeren Stadtbereiche stärker mit der Innenstadt verbindet.
Ende des Jahres wird der bisherige Entwicklungsprozesses gemeinsam mit dem Planungsbüro nonconform evaluiert und weiter fortgeschrieben. Das Ziel dieser ausführlichen Dokumentation ist es, die Entwicklung in ihrer Gesamtheit für andere Gemeinden verständlich aufzubereiten und somit zum nachmachen und ausprobieren zu animieren.